Konkrete Poesie

01.05.2017
Die Literatur und Typografie verbindende Kunstgattung

Konkrete oder visuelle Poesie: Sprachzeichungen, Wortbilder, Bildgedichte, oft auf Schreibmaschinen komponiert, aufgeführt und aufgezeichnet zugleich. Kompo­sitionen von Figurgedichten, Palindromen, Anagrammen, Ambigrammen, Epigrammen. Veranschaulichte Begriffe und verdichtete Exkurse, wortwörtliche Phrasen und dekonstruierte Paraphrasen, rhythmisierte Parolen und neu formatierte Leitsätze. 

Vorläufer sind formgesetzte Gedichte und Schriftzeichenbilder von Christian Morgenstern („Trichter“, „Fisches Nachtgesang“, 1905), die futuristische Literatur, die dadaistischen Laut- und Buchstabengedichte, die Merzdichtung, die konstruktivistische Kleinschreibung im frühen 20. Jd. 

Den Begriff „Konkrete Poesie“ prägen zeitgleich der schwedische Künstler Öyvind Fahlstöm („manifest för konkret poesi“, 1954) und der bolivianisch-schweizerische Schriftsteller Eugen Gomringer („Konstellationen“-Manifest, 1954) in Analogie zu dem von Max Bill gewählten Ausstellungstitel „konkrete kunst“ (Basler Kunsthalle, 1944). Brasilianer benennen ihre Lyrik „poesia concreta“. Ab Mitte der 1950er Jahre vernetzt sich die „Stuttgarter Schule“ aus Schriftstellern, Typographen und Künstlern mit der Literatur-Avantgarde des „Darmstädter Kreises“, der „Wiener Gruppe“, des Grazer „Forums Stadtpark“ sowie mit den Concrete-Poetry-Protagonisten außerhalb des deutschen Sprachraums in Europa, Südamerika und Japan. 

Timm Ulrichs reizt die Radikalität der Konkreten Dichtung. Er startet seine Konkrete Poesie Anfang der 1960er Jahre mit „AM ANFANG WAR DAS WORT AM.“, begleitet u.a. von den Anagrammen „rose – eros“, „NATUR – UNRAT“ sowie „ordnung – unordnung“, an die die Editionen 2017 erinnern. Zu dieser Werkgruppe zählen auch Ulrichs’ Vergegenständlichungen der Schriftbilder: das dreidimensionale Wort „WÜRFEL“ (1964), der 6x6-Augen-„Glückswürfel“ (1965) und das Epitaph „Denk' immer daran, mich zu vergessen!“ (1969/72), 2002 bzw. 2007 und 2008 aufgelegt von Artikel Editionen. 

Zum Erscheinen der 2017er Editionen von Timm Ulrichs